Brennt kein Licht im Zimmer, kommt “The Boogeyman” zu dir: In Rob Savages Stephen King-Verfilmung muss sich eine Familie nicht nur mit ihrem Trauma auseinandersetzen.
Inhaltsverzeichnis
Die Handlung
Wieder nichts Gescheites im Fernsehen (Foto: Disney)
Nach einem tragischen Todesfall fällt es der Familie Harper schwer, wieder zum Alltag zurückzukehren. Der Vater Will (Chris Messina) hilft als Psychotherapeut anderen, ihre Trauer zu überwinden, ist aber selbst noch nicht bereit, seine eigene aufzuarbeiten; alles, was mit seiner verstorbenen Frau zu tun hat, will er bestmöglich verdrängen.
Seine Tochter Sadie (Sophie Thatcher) ist anders. Sie zieht die alten Kleider ihrer Mutter an und versucht gar, ihren Geist via Séance aufzuspüren. Ihre Versuche, mit ihrem Vater gemeinsam zu einer Familientherapie zu gehen, scheitern. Dass ihre kleine Schwester Sawyer (Vivien Lyra Blair) ein Wesen in den dunklen Ecken ihres Zimmers sieht, wird von der Familie zunächst nicht ernst genommen. Jeder von ihnen ist zu sehr eingenommen von der eigenen Trauer.
Als ein Mann namens Lester Billings (Damian Dastmalchian) in Wills Praxis auftaucht, überstürzen sich die Ereignisse: Er berichtet von einem Schattenwesen, einem sogenannten Boogeyman, das seine Kinder auf dem Gewissen haben soll. Will fasst seine Erzählungen als Hirngespinste auf. Doch als Sadie dieses Wesen im eigenen Haus erfährt, will sie wissen, was wirklich mit der Familie Billings passiert ist. Bei ihren Nachforschungen erfährt sie Grauenhaftes.
Filmkritik “The Boogeyman”
Feuer? Ja, ich weiß! (Foto: Disney)
Sich vor der Dunkelheit zu fürchten und nicht zu wissen, was sich darin verbirgt, ist eine menschliche Grenzerfahrung. Auch wenn durch das Feuer und später die Elektrizität uns leichter fällt, sich im Dunkeln zu orientieren, bietet die Nacht weiterhin viel Raum für gruselige Geschichten. Besonders die Sage vom Boogeyman, zu Deutsch Butzemann, der sich unterm Bett oder im Schrank versteckt, um dann Leute zu erschrecken, ist nicht nur bei Kindern bekannt. “The Boogeyman” spielt mit diesen Urängsten und präsentiert den Zuschauer*innen ein Wesen, das nicht gruseliger sein könnte.
Der Film basiert lose auf eine Kurzgeschichte von Stephen King, die in den 1970er Jahren erschien und wird vorwiegend aus Lesters Sicht erzählt. Den Fokus auf seinen Therapeuten Harper und seine Famile zu setzen, bietet für den Film einen größeren, narrativen Freiraum. Besonders in den Szenen, wo der Boogeyman suggeriert wird und sich so die Spannung langsam aufbaut, sind die stärksten Momente des Films.
Das ist doch kein Kugelblitz, oder? (Foto: Disney)
Die Jumpscares sind im ersten Drittel effektiv inszeniert, lassen jedoch im Verlauf von “The Boogeyman” nach. Das liegt nicht an Rob Savages stimmungsvoller Inszenierung, der nach den Testvorführungen einige Szenen entschärfen musste, weil das Publikum vor lauter Grusel die Handlung nicht mehr verfolgen konnte. Ab der Hälfte entwickelt sich “The Boogeyman” zu einer generischen Monsterjagd, die in hektischen, teils auch unglaubwürdigen Action-Szenen ausartet. Auch sind manche Entscheidungen der Figuren so abstrus, was den Gruselfaktor leider zusätzlich herunterschraubt.
“The Boogeyman” als bloßen Monsterfilm abzustempeln, wäre jedoch keinesfalls gerecht. Das Schattenwesen selbst kann exemplarisch als Sinnbild für Trauer(-bewältigung) gesehen werden: Jeder aus der Familie Harper entfernt sich in seiner Trauer voneinander. Erst als sie sich zusammenraufen, sich der Trauer alias dem Boogeyman stellen, können sie ihren Verlust aufarbeiten und sich weiterentwickeln. Sophie Thatcher spielt Sadie als reservierten, vor Trauer zerfressenen Teenager, überzeugend. Chris Messina als stoischer Vater, wird zunehmend vom Film vergessen und scheint mit seiner Rolle maßlos unterfordert zu sein.
Huch, alles Rot (Foto: Disney)
“The Boogeyman” fokussiert sich zu sehr auf Sadie, so dass die Entwicklungen der anderen Hauptfiguren stark vernachlässigt werden. Auch gelingt es Savage nach dem ersten Drittel nicht, seinen Film stimmig zu halten; “The Boogeyman” ist anfangs ein gelungenes, psychologisches Familiendrama mit schaurigen Schockern, der sich zum Ende hin zu einem actionreichen, etwas belanglosen Monsterfilm entwickelt. Die Überleitung zwischen diesen beiden konträren Themen gelingt nicht wirklich. Trotz einiger starker Bilder und klugen, visuellen Einfällen bleibt der Film einem nicht im Gedächtnis. Letztendlich wiederholt “The Boogeyman” bekannte Sehmotive und Handlungsstränge aus vielen anderen Horrorfilmen.
Immerhin: Stephen King war von der Verfilmung überzeugter als die von „Shining“.
Die Versionen
“The Boogeyman” ist ab 16 Jahren freigegeben und hat eine Laufzeit von 98 Minuten. Der Film ist seit dem 1. Juni 2023 in den deutschen Kinos zu sehen.
Das Urteil von Horrormagazin.de
Atmosphärisch inszenierter Gruselfilm mit teils unterforderten Darstellern und einer Handlung, die in banaler Monsteraction-Staccato ausartet. Der Umgang mit Themen wie Trauer, Schmerz und Verlust wird jedoch glaubwürdig vermittelt.
Über Phi Am
Phi Am beschäftigt sich seit ihrer Jugend mit Horrormedien und -geschichten aus aller Welt. Der Nickname stammt aus der thailändischen Geister-Folklore, beschreibt jedoch aus heutiger Sicht das Phänomen einer Schlafparalyse. Ist großer Fan von Werken des Comiczeichners Junji Itō und Nudelsuppen.
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